KOEXISTENZ

mit Arbeiten von Nikita Teryoshin, Sibylle Fendt, Aslı Özdemir, Erik Irmer und Jonathan Funk

VERNISSAGE: Do., 24. April 2025 // 19 Uhr // Stadthaus Mannheim N1 (Alter GRAVIS-Shop)
Mit Begrüßung durch Bürgermeister Thorsten Riehle und einer Führung durch die Ausstellungen

Reguläre Öffnungszeiten: 24.4. - 25.5. // Do - Fr 16 - 20, Sa - So 14 - 19 Uhr

ARTIST TALKS
Sibylle Fendt // FR, 25.4. 17 Uhr
Nikita Teryoshin // Sa, 26.4. 17 Uhr
Jonathan Funk // Sa, 10.5. 19 Uhr
Erik Irmer // Sa, 24.5. 17 Uhr
Aslı Özdemir // Sa, 24.5. 18 Uhr


Nach drei Jahrzehnten des Wachstums, Wohlstands und relativer Stabilität steht die Welt vor tiefgreifenden Umbrüchen. Rechtsruck, gesellschaftliche Spannungen, ökologische Krisen und geopolitische Konflikte überlagern sich und prägen unseren Alltag. Modelle der Kooperation weichen zunehmend denen der Konfrontation, während eine Aufmerksamkeitsökonomie Negativität verstärkt und konstruktive Visionen an den Rand drängt. Was kann Kunst in einer Zeit leisten, in der Unsicherheit zur Konstante geworden ist? Sie kann Räume öffnen – für einen respektvollen Diskurs, für den Austausch von Ideen, für Fragen ohne einfache Antworten. Und sie kann Ambiguitätstoleranz fördern – die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten und friedlich innerhalb dieser zu koexistieren.

Die fünf fotografischen Positionen von Koexistenz beleuchten dieses Spannungsfeld aus verschiedenen Blickwinkeln, irritieren und fordern heraus. Doch sie bieten auch eine Alternative zu Resignation und Polarisierung. So ist das Festival eine Plattform für Dialog, ein Ort, an dem sich Unterschiedliches und Vielschichtiges begegnen kann, ohne sich gegenseitig zu zersetzen.

In „Holzbachtal, Nothing, Nothing“ beleuchtet Sibylle Fendt die tristen Lebensrealitäten von Geflüchteten im Schwarzwald. Mit „Nothing Personal – The Back Office of War“wirft Nikita Teryoshin einen Blick hinter die Kulissen der globalen Rüstungsindustrie. Aslı Özdemir reflektiert in „Ich kann mich jetzt als Akademiker*in tarnen“ ihre Position innerhalb des familiären und gesellschaftlichen Systems. Erik Irmer untersucht in „Aliens“ den menschlichen Umgang mit invasiven Tier- und Pflanzenarten. Jonathan Funk begab sich auf „Ortskontrollfahrt“ in die ostdeutsche Provinz, um den schleichenden Rechtsruck zu dokumentieren. 

Die gezeigten Arbeiten legen den Finger in offene Wunden und stellen unbequeme Fragen. Sie machen Systeme und Mechanismen sichtbar, die allzu oft im Verborgenen bleiben. Kunst dient hier als Katalysator – für Verständnis, Verständigung und konstruktiven Wandel.

 
 

Nothing Personal - the back office of war

Nikita Teryoshin // 2016 - fortlaufend
Artist Talk: Sa, 26.4. // 17 Uhr
www.nikitateryoshin.com

Fast täglich sehen wir in den Nachrichten Bilder von Krieg und steigenden Rüstungsausgaben. Nothing Personal zeigt die verborgene Seite der Waffenindustrie: Statt Schlachtfeldern gibt es hier Wein, Fingerfood und glänzende Waffen. Bazookas und Maschinengewehre sind an Flatscreens angeschlossen, Kriegsszenen werden in einer künstlichen Umgebung inszeniert. Tote sind nur Pixel oder Schaufensterpuppen, der Krieg wird vor hochrangigen Gästen inszeniert - Minister, Staatsoberhäupter, Generäle und Händler.

Firmen werben mit Slogans wie „70 Jahre Frieden“. Nikita Teryoshin zeigt bewusst keine Gesichter in seinen Bildern. Die Händler bleiben anonym.

Die zwischen 2016 und 2023 entstandenen Bilder sind auf 14 Rüstungsmessen weltweit fotografiert.

Ich kann mich jetzt als Akademiker*in tarnen

Aslı Özdemir // 2022 - fortlaufend
Artist Talk: Sa, 24.5. // 18 Uhr
www.aslioezdemir.com

Ende 2022 begann Aslı Özdemir sich mit den Stimmen und Bildern ihrer Familie auseinanderzusetzen. Beim Betrachten von Archivmaterial suchte sie ihren eigenen Körper und ihre Geschichte darin – ein Verorten zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Ihre Suche spielte sich auf verschiedenen Ebenen ab: Selbstporträts, Stillleben und Archivbilder, die als Brücke zwischen Zeiten und Systemen dienen. Sie erforscht den Habitus als inkorporierte Geschichte, die sich in unsere Körper einschreibt.

Als Fotografin, Künstlerin und Teil der Familie wechselte sie die Rollen und reflektierte Machtverhältnisse im Medium Fotografie. Der Selbstauslöser markiert dabei ihre Kontrolle: Der Blick fordert die Betrachtenden heraus. So eignet sie sich ihren familiären Habitus kritisch an und stellt ihn in seiner Schönheit frei.

ALIENS

Erik Irmer // 2022 - 2024
Artist Talk: Sa, 24.5. // 17 Uhr
www.erikirmer.de

Sie wurden als Nutztiere auf einen anderen Kontinent gebracht oder ausgesetzt, weil man sie als Haustiere loswerden wollte. Sie kamen als bewunderte Zierpflanzen in die Gärten oder wurden als neue Nutzpflanzen auf den Feldern ausgesät. Sie reisten in den Ballasttanks der Schiffe, in den Containern des Welthandels oder in den Laderäumen der Frachtflugzeuge in andere Erdteile. Absichtlich oder unabsichtlich hat der Mensch Pflanzen und Tiere auf seinen Reisen von einem Ökosystem in ein anderes mitgenommen. Begünstigt durch Umweltzerstörungen und den Klimawandel schaffen es neu eingeführte Arten immer wieder, sich zu etablieren.

Erik Irmer beschäftig sich in ALIENS mit diesen gebietsfremden und invasiven Pflanzen und Tieren. Im Fokus seiner Bilder steht vor allem das Handeln des Menschen im Kontext dieser neuen Arten.

Holzbachtal, nothing, nothing

Sibylle Fendt // 2016 - 2018
Artist Talk: Fr, 25.4. // 17 Uhr
www.sibyllefendt.de

Tief im Schwarzwald, im Holzbachtal, liegt die Flüchtlingsunterkunft H8, in der rund 20 Jahren lang Geflüchtete untergebracht wurden. Das Holzbachtal ist kein Ort, es ist nur eine Straße, ein Bach, mitten im Wald. Da es keinerlei Verkehrsanbindung gab, hatten die Betreiber der Unterkunft beschlossen, nur noch allein reisende Männer dort unterzubringen, da ihnen am ehesten der lange Marsch durch den Wald zum nächsten Dorf zuzumuten ist. Der Sozialarbeiter begrüßt die Neuangekommenen mit den Worten „Welcome to the end of the world.“

3 Jahre lang besucht Sibylle Fendt die Männer in regelmäßigen Abständen bis zur Schließung im Winter 2018. In den Gesprächen fällt immer wieder ein Wort: Nothing. Dieses Nichts wollte sie fotografieren.

Ortskontrollfahrt

Jonathan Funk // 2024 - fortlaufend
Artist Talk: Sa, 10.5. // 19 Uhr (im Rahmen der Reihe "80 Jahre Frieden")
www.jonathanfunk.com

Der Begriff Ortskontrollfahrt aus dem ostdeutschen Sprachgebrauch bezeichnet eine Streiffahrt durch Dörfer, während der meist junge Erwachsene ins Blaue fahren, um zu sehen was in ihren Orten vor sich geht. Mit Fahrrad und Mittelformatkamera reiste Jonathan Funk für sein Langzeitprojekt durch das sächsische Hinterland, um fernab der Großstadtperspektive den Rechtsruck und die Herausforderungen der deutschen Demokratie zu erkunden.

Rechtsextreme Parteien ziehen wieder in Landesparlamente ein – in Thüringen sogar als stärkste Kraft. Warum ist der Boden dafür so fruchtbar? Wie prägen Abwanderung, Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven die Gesellschaft? Funks fotografisches Essay gibt einen kritischen Einblick ins Demokratieerleben, indem er mit Menschen spricht – Frustrierten, Aktivisten und Politikern. Was braucht es, um die Enttäuschten zurück in eine partizipative Demokratie zu holen?